Unsere Südamerika-Reise 2010/2011
12. Bericht - 18. Januar 2011 Heute sind wir in
Arequipa (Peru). Wieder liegen ereignisreiche Tage hinter uns, die uns
viele Kilometer nach Norden brachten - wir haben die Atacama von Süden
nach Norden durchquert und Wüste satt gehabt. Die Formenvielfalt und
Farbenpracht waren genauso eindrucksvoll wie die markanten Zeugnisse der
menschlichen Aktivitäten in dem Gebiet der Erde, das ohne Zweifel
eigentlich Anökumene ist, absolut lebensfeindlich für Mensch, Tier und
Pflanze. Und trotzdem haben die Menschen die Wüste in Besitz genommen,
sie aber auch wieder verlassen, sobald der Reiz nicht mehr bestand, sie
wirtschaftlich zu nutzen. Bergbauaktivitäten allüberall künden von
dem Reichtum der Berge für den Menschen und von der Mühsal, ihn zu
fördern. Aber verlassene Salpeterstädte und Minenarbeitersiedlungen
zeigen auch die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
an. Dank der
geomorphologischen und klimatischen Gegebenheiten queren permanent wasserführende Flüsse die Wüste. Die Gebirge ertrinken bei
der vorherrschenden physikalischen Verwitterung geradezu in ihrem
eigenen Schutt, aber jeder Tropfen Regenwasser oder auf höherem Niveau
Schmelzwasser von Schnee oder Gletscher versickert darin und wird nur
langsam wieder freigegeben - bis sich schließlich daraus Flüsse
bilden, die dem Menschen in Flussoasen Lebensgrundlage bieten und durch
Bewässerungssysteme in weiten Gebieten zu reicher landwirtschaftlicher
Aktivität führen. Die ganzjährige Wärme und das eigentlich
permanente Wasserdargebot lassen alles wachsen, was das Herz, der Gaumen
und der Markt begehren. Episodische katastrophale Abflüsse, die die
landwirtschaftlich genutzten Flächen verwüsten, müssen aber
ebenso überstanden werden wie Erdbeben, die die Siedlungen und
Verkehrsverbindungen zerstören können. Die Arbeit in der
Landwirtschaft ist besonders im Gebirge mühsam, meistens in kleinen
Parzellen auf seit langem terrassierten Hängen, ohne moderne
landwirtschaftliche Maschinen. Die Erträge reichen kaum zum
Lebensunterhalt aus, und deshalb bietet der Tourismus den Familien ein
Zusatzeinkommen. Die Frauen sitzen in traditioneller Tracht dort, wo die
Touristen einen Photostopp machen, und bieten handwerkliche Waren aller
Art an. Kinder sind touristische Bildbeigaben, und manchmal tanzen sie -
ebenfalls in traditioneller Kleidung - zu indianischer Musik, die aus
einem Riesenlautsprecher dröhnt. Wer weiß, wer hinter den Kulissen die
Fäden zieht.... Der
Bergbau in der Wüste hat an der Küste Städte aufkommen lassen, die
heute durch den wachsenden Tourismus oder durch wirtschaftspolitische
Maßnahmen nach dem Ende des Bergbaubooms auf andere Weise als früher
eine neue Blütezeit erleben. Antofagasta, Iquique, Arica sind dafür
Beispiele, aber auch einige andere. Manchen wurden andere Aufgaben als
früher zugewiesen. Tocopilla zum Beispiel war wohl einmal ein
liebliches Fischerstädtchen - das heute ziemlich brutal von der
Eisenverarbeitung und dem Erzexport bestimmt wird. Zwischen
Arica in Chile und Tacna in Peru haben wir die Grenze zwischen beiden
Staaten überquert. Wir Europäer wünschen den südamerikanischen
Staaten angesichts von stundenlangem Warten auf mehrere Stempel im Pass
und auf extra ausgestellten Dokumenten Staatsführer, die sich einigen
und den Menschen das selbstverliebte Brimbamborium der staatlichen
Stempelei ersparen. Ein Beispiel: Noch in Chile, lange vor der
peruanischen Grenze, gut 150 km südlich von Arica, gab es eine
Kontrollstelle, an der wir uns einen Stempel abholen sollten. Als wir an
diese Kontrollstelle kamen, sahen wir niemanden, der uns aufhielt, die
Fahrt schien freigegeben. Gut 20 km später plagten mich Gewissensbisse:
Und wenn nun gerade dieser Stempel an der Grenze verlangt wird - würden
wir dann zurückgeschickt werden, um ihn zu bekommen, mindestens 170 km?
Also kehrte ich um. An der Kontrollstelle trafen wir eine
Polizeibeamtin, die nach einem Aufenthalt in Langen (bei Frankfurt am
Main) Deutsch sprechen konnte. Da wir aus der "falschen"
Richtung gekommen waren, schilderten wir ihr unsere Zweifel und baten um
den Stempel. Sie drückte ihn bereitwillig und von Deutschland
erzählend auf unser Dokument. Ich konnte es mir nicht verkneifen, sie
zu fragen, ob wir denn nun richtig gehandelt hätten, indem wir die 20
km zurückgefahren sind, des Stempels wegen? Sie zuckte die Achseln und
lächelte weise. An der Grenze zu Peru am nächsten Tag wurde der
Stempel von dem Grenzbeamten weder angesehen noch auf dem Dokument
gesucht, er war völlig bedeutungslos. Allerdings: Es könnte auch sein,
dass die Abfertigung bei einem anderen Grenzbeamten erfolgt, und der
könnte akribisch in Übereinstimmung mit seiner Dienstanweisung nach
dem Stempel suchen.... Da gäbe es noch viel zu erzählen - Kafka ist
nicht weit. Besonderheiten? In
Copiapó trafen wir die diesjährige Rallye Paris-Dakar, die sich aus
Afrika verabschiedet hat, dieses Jahr unter "Dakar 2011"
firmiert und in Chile und Argentinien durch die Wüste braust.
Motorräder, Autos, Quads und Lastwagen stauben einzeln über die
Wüstenpisten, dass jedem Motorfan das Herz höher schlägt. Es war
heiß. Der Wind trieb den Staub glücklicherweise in die andere
Richtung. Ab und zu jubelten die Zuschauer einem Motorrad oder Auto zu.
Unsere Mitreisenden schwenkten deutsche Fahnen. Wir verließen dann so
nach zwei Stunden den staubigen Kreuzungspunkt der Straße mit der
Piste, klebten aber einen Sticker "Dakar 2011" für 3000 Pesos
hinten auf unser "Knuffi".
Die beiden vergangenen Tage waren
erfüllt von einem Bus-Ausflug in das Tal und den Cañon des Rio Colca.
Die Fahrt ging von Arequipa etwa 130 km nach Norden über einen 4910 m
hohen Anden-Pass nach Chivay und von dort weiter in das Tal. Wir
erlebten die großartige Bergwelt der Anden, hier wieder mit den
aufgesetzten gletscherbedeckten, um 6000 m hohen Vulkanriesen. Die
Talhänge waren bedeckt mit Anbau-Terrassen, die sich noch aus der
Inkazeit hier erhalten haben. Abenteuerlich schlingen sich die
Bewässerungskanäle am Berghang entlang. Und dann der Höhepunkt am
Cruz del Condor, wo wir am frühen Morgen beobachten konnten, wie die
Condore sich - die einsetzende Thermik nutzend - langsam in den Himmel
schrauben, von wo aus sie ihr Frühstück suchen - den so majestätisch
wirkenden Vögeln eigentlich nicht angemessen, aber für Ordnung
und Gesundheit sorgend: Aas.
Übrigens: In Arica stießen alle
Teilnehmer mit dem chilenischen Nationalgetränk Pisco auf den guten
weiteren Verlauf der Reise an - wir hatten die Hälfte der Gesamtdauer
hinter uns gebracht.
Wir grüßen herzlich die Daheimgebliebenen!
Bilder - bitte
klicken
|